Christian Egger Graz, ich hab Dich was gefragt (Arbeiten/Works 2013–2016) 06.05.–16.06.2017
Graz
Die für Ebensperger Graz konzipierte Ausstellung von Christian Egger setzt sich aus zwei Werkserien der letzten drei Jahre zusammen. Die erste Serie besteht aus zahlreichen Kopien in DIN A4, die als Vorlage für mit Tintenpatronen gemalte Zeichnungen dienen. Die bewusst im Arbeitsprozess gewählte Beschränkung auf DIN A4 und Tinte beschleunigt einen expressiven malerischen Akt, limitiert und steuert ihn. Durch die kontinuierliche Fortführung dieser Skizzenserie über mehrere Jahre entstand ein Archiv von ca. 3000 Zeichnungen, ein naives Vokabular von Linien und Formen entwickelt aus der intensiven Beschäftigung mit der Formensprache der abstrakten Avantgarden. Diese werden in weiterführende Übertragungen auf großformatige Leinwände, Spiegel oder wie nun in „Graz, ich hab Dich was gefragt (Arbeiten/Works 2013–2016)“ im ersten Raum der Galerie großflächig und in korrespondierender Abstimmung mit dem besprayten Mauerhintergrund installativ gehängt. Zu dem Titel erklärt Egger: „Ich wollte die Zeit meiner Kuratorentätigkeit als eine direkte Frage an die Stadt, in der ich diese ausübte, adressieren. Da ich glaube, dass sich die Tätigkeit sowohl der Kunstproduktion als auch des Kuratierens weder vom Ort noch der Zeit in der sie passieren, trennen lassen, gerade in einer Zeit, in der es wesentlich mehr Stimulation denn Zeit für die Reflexion gibt. Die Ironie des Titels ist natürlich, dass ich in den Jahren 2013 bis 2016 nur beschränkt Arbeiten entwickeln und zeigen konnte.“
Die zweite Werkserie widmet sich skulpturalen Fragen, in denen der Künstler mehrere weibliche Modelle, die unterschiedlichen Bestandteile der Skulpturen im Zuge eines Fotoshootings mit ihren Händen zu halten bat. Die dabei entstandenen Fotodokumentationen halten wiederum die Skulpturen über den verspiegelten Sockeloberflächen zusammen. Diese Werke präsentieren so die Geschichte ihrer Entstehung mit, werden erst durch die an ihnen angebrachte Dokumentation zu solchen. Dadurch seziert Egger nicht nur den Mythos des genuin schöpferischen Akts der Bildhauerei, er enthält ihn entmystifizierend vor und beschreibt stattdessen die Lücke, die zwischen Container und Content für gewöhnlich nicht aufgegeben werden soll. Eine ,natürliche‘ Verbindung zwischen dem Trägermaterial des Kunstwerkes und den generierten Bildern, das heißt zwischen dessen Signifikant und Signifikat, besteht hier nicht. Eine Annahme, die durch die Umkehrung des Innen und des Außen der dafür verwendeten Sockel zusätzlich Bedeutung erfährt. Der Künstler verweist hier auf eine Vielzahl der Implikationen, die heute eine skulpturale Produktion begleiten. „Ein Objekt ‚enthält‘ also nicht nur die zu seiner Herstellung benötigte Zeit, sondern auch die zur Herstellung der Hersteller/-innen benötigte Zeit und genau genommen auch die zur Herstellung der Institutionen, die die Hersteller/-innen herstellten, nötige Zeit, natürlich nur anteilig bezogen auf die Menge an Zeit, die der Hersteller oder die Herstellerin für dieses Objekt benötigte, im Verhältnis zu all der gesamten anderen Zeit, die er oder sie damit verbracht hat, das Gelernte anderswo und anderweitig anzuwenden. Wir beschränken uns hier auf die Zeit, die Menschen mit Material verbracht haben – natürlich hat auch das Material seine historische und geologische, biologische und kosmische Zeit. Uns geht es aber um die Zeit, die verwertet werden kann, und das ist Arbeitszeit“ (Diederich Diederichsen, Zeit, Objekt, Ware, in: Texte zur Kunst, Heft Nr. 88, 2012). Der Künstler dankt Lisa Edi, Rike Hemedinger, Martin Hotter, Helene Romakin, Anna Schwarz, Catharina Wronn, Maria Ziegelböck.
Geboren in Innsbruck, lebt Egger in Wien als Künstler, Musiker und Kritiker. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Peter Kogler und Constanze Ruhm. Er unterrichtete 2010 an der Modeschule Wien, Schloss Hetzendorf, „Mode meint Populärkultur“, war als Kurator am Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, KM in Graz tätig (2013 bis 2016) und im künstlerischen Beirat Kunsthalle Exnergasse (2008 bis 2011). Er ist zudem seit 2002 Mitherausgeber der Künstler/innenzeitschrift www.ztscrpt.net. Er publizierte mehr als 70 Beiträge in Katalogen und Zeitschriften wie Camera Austria, Kunst-Bulletin, Springerin, Spike Art Quarterly und Texte zur Kunst.
Christian Egger's exhibition designed for tebensperger Graz consists of two series of works. The first series consists of numerous copies in the German standard paper format DIN A4 based on ink cartridge drawings. The restriction of both, the format and the used ink, accelerates an expressive painterly act but also limits and controls it. Through the continuous continuation of this series of sketches over a long period of time, an archive of about 3000 drawings has been created—a naive vocabulary of lines and forms from the intense occupation with the form language of the abstract avant-garde. In the first room of the gallery they appear in further transmissions on large-format canvases, mirrors or as now in “Graz, ich hab Dich was gefragt! (Arbeiten/Works 2013–2016 )” as an extensive installion in a corresponding harmonization with the sprayed wall background.
When asked for the title Egger explains: “I wanted to address the period of my curatorial activity as a direct question to the city since I believe that the activities of both, art production and curating, can´t be separated neither from the place nor from the time, in which they happen—just at a time when there is much more stimulation than time for reflection. The irony of the title is, of course, that in the years from 2013 to 2016, I have been limited in the possibility of developing and showing works.”
The second series of works is devoted to sculptural questions, in which the artist has asked several female models to hold different components of the sculptures with their hands in the course of a photo shoot. The resulting photographic documentation holds the sculptures together over the mirrored base surfaces. These sculptures present the history of their emergence and only become sculptures by the attached documentation. Egger not only dissects the myth of the genuinely creative act of sculpting, but rather he withholds it in a demystifying way and instead describes the gap between the container and the content as one not to be abandoned. There is no "natural" connection between the carrier material of the work of art and the generated images, that is, between the signifier and the signified. An assumption, which bears significance by reversing the inside and outside of the sockets, is used for this purpose. The artist here refers to a number of the implications that today accompany a sculptural production.
“An object thus not only ‘contain’ the time required for its production, but also the time required for the production of the manufacturers and institutions that produced the producers took time, of course, only proportionally in relation to the amount of time the manufacturer or the manufacturer needed for this object in relation to all the other time he or she had spent with it learned elsewhere and elsewhere to apply. We limit ourselves here to the time that people have spent with material—of course, the material also has its historical, geological, biological and cosmic time. But we are concerned about the time that can be exploited, and that is working time.“(Diedrich Diederichsen, Time, Object, Commodity, in: Texte zur Kunst, issue 88, 2012
Born in Innsbruck, Egger lives in Vienna as artist, musician and critic. He studied at the Akademie der bildenden Künste, Vienna , Peter Kogler Constanze Ruhm.
Between 2013 and 2016 he worked as curator at the Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, KM in Graz, and on the advisory board of the Kunsthalle Exnergasse between 2008 and 2011 Christian Egger is the co-founder of the artist fanzine www.ztscrpt.net, established in 2002
He has published more than 70 articles in catalogues and publications such as Camera Austria, Kunst-Bulletin, Springerin, Spike Art Quarterly and Texte zur Kunst.