Hanakam & SchullerOikos –– Fries29.05.–20.06.2020
Ebensperger Rhomberg Salzburg
Installation view; Hanakam & Schuller; Fries (consisting of 5 works from the Aura series); 2016–2020
Hanakam & Schuller; Harlekin und Colombine, tanzend. Modell von Kändler, Juni 1744; 2020; acrylic ink on Kodak Endura, 95 × 87 cm
Hanakam & Schuller; Der Käsehändler, Franz Anton Bustelli Nymphenburg, um 1760; 2019; acrylic ink on Kodak Endura, 50 × 60 cm
Hanakam & Schuller; Two Meissen Groups of Lovers; 2016; acrylic ink on Kodak Endura, 102 × 175 cm
Hanakam & Schuller; A Meissen Group of Pantalone and an Actress modelled by J. J. Kändler, circa 1738; 2017; acrylic ink on Kodak Endura, 63 × 58 cm
Hanakam & Schuller; Magazzino (Oikos); 2019; folding screen in 4 fragments; 130 × 270 × 8 cm; mixed media
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“Oikos — Fries” is an exhibition Hanakam & Schuller have especially conceived for a cubic exhibition room at Ebensperger Rhomberg Salzburg. The space is encompassed by a frieze consisting of works from Hanakam & Schuller’s “AURA” paintings. At its center is the installation Oikos, a paravent display between science and decoration, mockery and serious organisation. The show is the artists’ second with the gallery after their solo exhibition currently on view at Ebensperger Rhomberg Berlin.
„Und nun ist es, als ob mit einem Schlag ein Tor weit aufgesprungen wäre: in hellen, bunten Scharen dringt die ganze, der plastischen Darstellung bisher fremde Gestaltenfülle des Tages heran: die Kavaliere und Damen des Hofes und der großen Gesellschaft, die Narren und Mohrenpagen, der ganze Schwarm ‚theatralischer Figuren‘: der italienischen Komödie mit ihren Partnerinnen, die Sänger und Sängerinnen der Oper, die Tänzer und Tänzerinnen des Balletts und das Volk von der Straße, ‚le bas peuple‘: die Ausrufer und Warenverkäuferinnen, Bauern und Bäuerinnen und Gärtner, Soldaten, Bettler und Hausierer, die ganze Welt der bunten Gegenwart wie durch ein Verkleinerungsglas oder durch ein verkehrt gehaltenes Fernrohr gesehen.“ (Max Sauerlandt, Deutsche Porzellanfiguren des XVIII. Jahrhunderts, XIII, 1923)
AURA
Das Duo nimmt Reprofotografien verschiedener Sotheby’s-Auktionskataloge als Ausgangspunkt für eine Serie von Bildarbeiten, diese Repros von Auktionslosen zeigen in der Darstellungskonvention des Auktionskataloges Porzellanfigurinen mit leichtem Schatten vor neutralem Hintergrund. Alle ausgewählten Objekte sind dem Rokoko zuzuordnen. Es sind also weder ‚autonome‘ Skulpturen, noch ‚Design‘-Objekte im eigentlichen Sinn – dennoch schon Erzeugnisse serieller Fertigung (beispielsweise aus den Manufakturen Buen Retiro, Meissen oder Frankenthal). Diese Objekte sind bereits Hybride zwischen Kunsthandwerk und Alltagsgegenstand, wenngleich sie für die Zeitgenossen des mittleren 18. Jahrhunderts noch weit davon entfernt sind, einer Allgemeinheit zugänglich zu sein. In der zeitlichen Distanz des Objektes als Dekorgegenstand damals zur Auktionsware heute, muss das Objekt für den Verkauf auratisiert dargestellt werden. Es wird zum Kunstobjekt und damit zum unikalen Artefakt stilisiert. Hanakam & Schuller überzeichnen diesen Prozess im Wortsinn, wenn sie auf den Reprofotografien, die noch Druckraster und Losnummer erkennen lassen, Auraflächen auftragen, wie sie der gängigen esoterischen Praxis der Aurafotografien von Personen entsprechen. Verschiedene amorphe Farbfelder aus farbiger Acryltusche überziehen die Abbilder der Porzellangruppen. Der lokal (in Österreich) etablierte Gestus der Übermalung, ebenfalls eine hochgradig auratisierte Kunstform, wird auf ironische Weise mit ins Spiel gebracht.
Oikos
Als Oikos (οἶκος) wurde im antiken Griechenland eine Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft bezeichnet, eine Architektur der Versammlung. Sowohl der Begriff der Ökonomie als auch der Ökologie leiten sich von diesem Wortstamm ab. Mit ihren Magazzini zeigen Hanakam & Schuller raumgreifende Holzsstrukturen, die zum Display – zum Raum der Versammlung für transluzente Kunststoffartefakte werden. Die Installation Oikos ist eine Kippfigur zwischen Paravent und Objekt, zwischen Alltagsgegenstand und Science-Fiction-Prop, Design- und Handwerksprodukt, organischen und anorganischen Elementen.
Die Artefakte des in Wien lebenden Künstlerduos Markus Hanakam (*1979 Essen) & Roswitha Schuller (*1984 Friesach) sind häufig Gestaltwandler, verändern ihre äußere Form und tauchen in unterschiedlichen Kontexten wieder auf. Als Kunstschaffende und Forschende gestalten Markus Hanakam und Roswitha Schuller die Regelwerke der bildenden Kunst um und bauen in Videos und Objekten an eigenwilligen Ordnungen und neuen Weltentwürfen. Dabei arbeiten sie auch immer wieder mit angewandten Kunstformen. Ihre Werke wurden unter anderem im Haus der Kulturen der Welt in Berlin, im Eyebeam Center for Art + Technology in New York, im Palais de Tokyo in Paris, im Garage Museum of Contemporary Culture in Moskau, im Wiener MAK, im MAK Center for Art and Architecture in Los Angeles sowie im National Art Center in Tokio gezeigt.
Aktuelle und kürzliche Soloausstellungen im Kunstraum Lakeside, Klagenfurt, im Muzej—Museo Lapiadarium Novigrad, im Museumsquartier Wien. Ihre Animation The Borgia Device (Second Day) ist Teil der internationalen Videoschau „Anthropocene on Hold – 20 artists address the impact of a global pandemic on arts ecosystems and earths resilience and sustainability“ – der Polyeco Contemporary Art Initiative in Piräus, Athen, kuratiert von Kika Kyriakakou.