Benjamin Heisenberg
Ausradiert
12.01.–21.02.2016
Berlin
Die Kunst des Weglassens, die Benjamin Heisenberg in Spielfilmen wie „Schläfer“ oder „Der Räuber“ demonstriert hat, spielt eine gewichtige Rolle in seiner neuen Ausstellung in der Berliner Galerie Patrick Ebensperger. „Der unsichtbare Dritte“ nach dem gleichnamigen Hitchcock-Film (1959) zeigt dreieinhalb Minuten der legendären „Cropduster Sequence“, wobei Cary Grants panische Reaktionen durch Bildmanipulation ad absurdum geführt werden: In der von Heisenberg „bereinigten“ Fassung existiert kein Flugzeug mit Scharfschützen an Bord. Auf einem zweiten Monitor präsentiert Heisenberg eine Einstellungsfolge aus Jacques Tatis „Mon Oncle“ (1958).
Zu sehen ist das ultramoderne Haus mit dem charakteristischen Bullaugen-Paar; Menschen hat der Künstler aus der Szene eliminiert, als würden sie das Häuser- Monster nur stören. Ähnlich verfährt Heisenberg mit der Plansequenz des brennenden Hauses aus Tarkowskis „Opfer“ (1986), wobei digitale Artefakte verraten, dass sich in der Landschaft vor dem Haus ein menschliches Drama ereignet hat.
Die drei Videos laufen auf stumm geschalteten Monitoren; der Ausstellungsraum wird von den Soundtracks dreier anderer Arbeiten („Waterfall“) erfüllt – Heisenberg legt es darauf an, dass die Teile seiner Ausstellung sich gegenseitig beeinflussen und überlagern. Thema ist die Bildpolitik, die Wahrheiten und zugleich Lügen generierende Doppelrolle von Kino und anderen Medien. Obwohl Heisenberg einen historischen Fokus setzt – die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg – zielt seine Installation doch auf das mediale Hier und Heute, in dem die Gemengelage aus echter und behaupteter Bedrohung ziemlich unentwirrbar scheint. Computerstimmen sprechen Orson Welles’ berüchtigtes Transkript von H. G. Wells’ „War of the Worlds“ (das Hörspiel löste 1938 eine Massenpanik aus), gleichzeitig sind zwei politische Akteure des Jahres 1945 zu vernehmen, in Verlautbarungen nach dem Atombombenabwurf von Hiroshima: Kaiser Hirohito und US-Präsident Truman. Auf der visuellen Ebene bestehen die „Waterfall“-Arbeiten aus groß projizierten „Augenpaaren“, die sich gegenüberstehen und eine Art blindes Starren vermitteln; was nach Iris aussieht, entpuppt sich als kaleidoskophaft umgewandelte Wasserfall-Aufnahme. Warum Hiroshima? „Der Grund war, dass wir bei dieser ersten Attacke, so weit wie möglich, die Tötung von Zivilisten vermeiden wollten“, hört man Truman sagen. Hier täuschte er sich – und wohl bewusst auch seine Adressaten. Dass Heisenberg in seiner Installation auf eine klare Botschaft verzichtet, lässt sie umso nachhaltiger wirken. Am Rand sei bemerkt, dass sein Großvater, der Physiker Werner Heisenberg, bis 1945 am Uran- projekt des deutschen Heereswaffenamts beteiligt war.
Jens Hinrichsen, Filmdienst 03/2016