TEMP, 2016, 76 × 56 cm
Christian Schwarzwald
TEMP
03.10.–12.11.2016
Graz
Wir freuen uns besonders, mit TEMP Christian Schwarzwalds erste Einzelausstellung in Graz zu zeigen. Schwarzwalds Ausstellungen sind stets mehr als eine Werkguppe oder die Summe der gezeigten Arbeiten. Das Kunstwort „TEMP“ bietet Implikationen zu Tempo, Temperament, Attempt (Versuch) oder auch Contempt (Verachtung), vor allem aber zur Zeithaftigkeit – Krux, Chance und Wesensmerkmal einer jeden Ausstellung. Schwarzwalds Ausstellungstitel sind stets Wortspiele und haben Mehrfachbedeutungen. Das gilt auch für die 2016 entstandene Serie aus Wortbildern:
Im Zusammenhang mit seinem Werk wird immer wieder von Illusionsmalerei gesprochen, von einer Malerei also, die Dreidimensionalität von etwas vortäuscht, was nur zweidimensional auf der Bildebene ‚da‘ ist. Bei der Serie TEMP erweitert sich die fruchtbare Beziehung zwischen der Darstellung (Bild) und dem Dargestellten (Bildobjekt) um einen weiteren Teilnehmer, nämlich das geschriebene Wort. Vor zumeist malerischem, monochromem und gespachteltem Hintergund stehen und schweben trompe-l'œil-artig Buchstaben in Acryl, die durch ihren wie von Computerhand generierten 3D-Look einerseits selbst gegenständlich wirken und andererseits Wörter und Wortstücke wie beispielsweise „ROTTEN FRUIT“, „TEMP(ORARY)“, „STAINLESS“, „TASTE“ ergeben. Hier ist nun also nicht einmal mehr das Bild eines Bildobjekts ‚da‘, wir müssen uns mit dem Wort als Stellvertreter des Bildes abfinden. Wie zum Hohn ruft uns eines der Bilder rotgelfeckt die Worte „UNDERSTAND UNDERSTOOD“ entgegen, denn die Dreiecksbeziehung aus Bild, Bildobjekt und Zeichen ist keine einfache und zu begreifen ist sie schwer. Wir dürfen Aristoteles bemühen: „Die geschriebenen Worte sind die Zeichen von gesprochenen Worten. So wie nun die Schriftzeichen nicht bei allen Menschen dieselben sind, so sind auch die Worte nicht bei allen Menschen dieselben; aber die Vorstellungen in der Rede, deren unmittelbare Zeichen die Worte sind, sind bei allen Menschen dieselben und eben so sind die Gegenstände überall dieselben, von welchen diese Vorstellungen die Abbilder sind.“
Flankiert werden die Acrylarbeiten von verschiedenformatigen Kohlezeichnungen, die zwar ohne Worte auskommen, aber ein Formenvokabular zum Besten geben, das schemenhaft Porträts, architektonische Elemente, organische Formen und tiefe Räume wiedergibt. Einzelne Blätter sind jedoch ganz konkrete Zeichnungen von Früchten. Was auf mehreren Wortbildern mit „ROTTEN FRUIT“ angekündigt wird, bewahrheitet sich hier nicht: Diese Früchte sind frisch – zumindest jetzt, aber nicht mehr lange, nur TEMP…
Christian Schwarzwalds Idee der Zeichnung ist ein großes, allumfassendes Medium ohne Einschränkungen. Zeichnung kann alles sein für Schwarzwald – und genauso zeichnet er beinahe alles in sein Universum hinein. Gesichter, abstrakte Muster, Architektur, Pflanzen, Objekte, Text werden rigoros durchgearbeitet und in Serien oder Blöcken zusammengefügt. Daraus entstehen seine Zeichnungsinstallationen und ganze Räume, die den Betrachter umgeben. Die Zeichnung ist bei ihm weniger ein einzelnes Blatt, sondern Teil einer Anleitung, ein ganzes Bildsystem zu sehen, als Enzyklopädie der Dinge, die unsere Vorstellungen und Begrifflichkeiten herausfordert.
Christian Schwarzwald, geboren 1971 in Salzburg, Österreich, lebt in Berlin. Er studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und an der Akademie der Bildenden Künste in Athen.